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"Alle Einwände, die man gegen Autobiographisches erheben kann, habe ich mir schon selbst gemacht. Ich kann also einfach anfangen zu erzählen." Kurt Flasch, Mitglied der Römischen Akademie der Wissenschaften und Träger des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa der deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, ist bekannt für seine Mittelalterstudien und seine Arbeiten zur Geschichte des Denkens von Augustin bis Macchiavelli. Seine philosophiehistorische Arbeit gilt dem Freilegen der historischen Voraussetzungen philosophischen Denkens. Wenn Kurt Flasch Erinnerungen schreibt, darf man erwarten, dass er diesem eigenen Anspruch gerecht wird. Wie war Kindsein unter verschärften Bedingungen im Krieg möglich, und wie haben die Erfahrungen des täglich erfahrenen Drucks des NS-Regimes und des Bombenkrieges das Denken bestimmt? "Als denkendes Wesen bin ich ein Kriegskind", schreibt Flasch. "Mein Verstand verdankt Goebbels viel." Man kann seine Erinnerungen an seine Mainzer Kindheit 1930-1949 auf verschiedene Weise lesen: als die Rekonstruktion eines NS-resistenten erzkatholischen Milieus, als eine bedrückende Schilderung des Bombenkriegs, in dem diese Kindheit schockhaft mit dem Tod der Mutter endet, oder eben auch als philosophische Selbstreflexion über die Herkunft des eigenen Denkens. Flaschs Aufzeichnungen sind eine Mischung aus sinnlicher Konkretion und wachem Intellekt. Mit Wärme gedenkt der als Kritiker jeglichen dogmatischen Christentums bekannte Philosoph dabei seiner geistlichen Lehrer, die ihn in das Wesen des Thomismus einführten und mit den Schriften Lulls bekannt machten. Insofern erzählt das Buch auch die Geschichte eines Pädagogen, der selber die Erfahrung gemacht hat, wie wichtig es sein kann, von erfahreneren Menschen an die Hand genommen zu werden. In Flaschs Erinnerungsbildern ist das aufbewahrt, was in der von Bombern zerstörten Rheinbrücke sein Sinnbild findet: "Eine Brücke in die Vergangenheit gibt es nicht. In unserer Lebenszeit haben wir keine zwei Ufer, die wir verbinden können. Wir haben nur einen einzigen, den diesseitigen Pfeiler, unsere Gegenwart."